Geburtsbericht oder "wenn es anders kommt als erwartet..."

Heute vor genau 4 Monaten, also am 20.02.2020, erblickte unser kleiner Sonnenschein endlich die Welt.
Geburtsberichte gibt es im Netz zahlreiche, warum also noch einer?
Nun ja, wer mich kennt oder mir schon ein wenig folgt, der weiß dass ich sehr naturverbunden bin und möglichst alles natürlich möchte. So stellte ich mir auch die Geburt meiner Tochter vor - selbstbestimmt, ohne Medikamente, ohne medizinischen Input. Das war der Plan. Ich beschäftigte mich im Voraus mit HypnoBirthing und eignete mir so die Wellen- und die Geburtsatmung an. Ich war vorbereitet und bereit. Ich freute mich auf die Geburt, hatte absolut keine Ängste, sondern konnte es kaum erwarten mit unserem Kind gemeinsam diese beeindruckende Leistung zu vollbringen.
Doch alles lief etwas anders.

Zunächst einmal sollte vielleicht gesagt werden, dass ich in der Schwangerschaft unter einem Polyhydramnion "litt". Wobei leiden das falsche Verb war. Weder ich, noch meine Tochter störten sich daran. Kurz zur Bedeutung: Polyhydramnion heißt auf deutsch, dass ich wahnsinnig viel Fruchtwasser hatte, mehr als der Durchschnitt... Meine Tochter hatte also bis zum Schluss viel Platz zum Turnen und war nie wirklich eingeengt ;D Somit war sie auch bis zum Schluss in der Lage ihre Position zu verändern.

Durch das Polyhydramnion hatte meine Frauenärztin die Befürchtung, dass sie wohl eher kommen könnte. Unser ET war der 09.02.2020.
Am 19.02.2020 machte sie immer noch keine Anstalten. Ich hatte zwar hin und wieder Wehen, allerdings nicht muttermundaktiv.
Somit stand fest am 19.02.2020, also ET+10, komme ich ins Krankenhaus und werde eingeleitet.


Punkt Nummer 1, den ich absolut nicht wollte: eine Einleitung.
Nun ja, natürlich hätte ich theoretisch zumindest bis ET+14 warten können, aber ganz geheuer war mir das alles nicht.
Bis zum 19.02. habe ich also sämtliche Möglichkeiten der natürlichen Einleitung ausprobiert. Angefangen bei Akupunktur, über tägliches Spazierengehen, Treppensteigen, Sex, scharfes Essen, Zimttee, Bauchmassagen mit Geburtsölen, Nelkenöltampon, Caulophyllum Globuli.... Sicher habe ich noch etwas vergessen, aber so richtig wollte es einfach nicht sein.
Am 19.02. kam ich also früh ins Krankenhaus und konnte die Ärztin dazu überreden an diesem Tag es nochmals natürlich zu versuchen. Ich bekam erneut Caulophyllum, allerdings als eine Art Brausetabletten, und sie führte auf meinen Wunsch die Eipollösung durch. Ergebnisse des Tages waren leichte Wehen. Am Nachmittag bekam ich durch die leitende Hebamme auch noch einen kleinen Einlauf, da dies auch anregend wirken soll.
Fazit des Tages: leichte Wehen, aber MuMu immer noch nur fingerdurchlässig.

20.02.2020
Ich hatte die Nacht über leichte Wehen, aber nicht wirklich schmerzhaft. Am Morgen wurde ich wieder untersucht und der Muttermundbefund war immer noch der Gleiche. Also wurde die medikamentöse Einleitung begonnen.
Am Abend vorher las ich über Cytotec, Wehengel usw. im Internet. Die gängige Einleitungsform war auch in meinem Krankenhaus Cytotec. Die Nebenwirkungen von den spezifischen Einleitungsformen waren die gleichen. Also entschied ich mich für Cytotec, auch wenn dies eigentlich meiner Überzeugug widersprach. Mein Innerstes sagte mir, dass es wohl so sein muss und das Schicksal sich dabei schon etwas gedacht haben musste.
Die Probedosis einer viertel Tablette schlug schon ein wie eine Bombe :D
Ich hatte innerhalb kurzer Zeit deutliche Wehen, dank meiner Wellenatmung konnte ich diese allerdings problemlos aushalten. Ich freute mich über jede einzelne, da sie mich meinem Kind näher brachten.
Nun ja, nach 4h entschied die Ärztin, dass ich die nächste Dosis, eine halbe Tablette, bekommen sollte. Ich glaube die hätte es eigentlich nicht benötigt. Eine halbe Stunde nach der Einnahme war auf dem CTG eine Wehe nach der anderen erkennbar, wohl ein Wehensturm. An der Stelle kann ich nur jedem HypnoBirthing empfehlen. Die Wehen waren intensiv, das zeigte auch das CTG, aber sie waren dank der Atmung nicht schmerzhaft, außer ich veratmete mich, dann zwickte es schon ganz schön :D

Arztwechsel. Kurz nach halb 6 abends untersuchte mich ein anderer Arzt. Befund: Muttermund bei 1cm, aber der innere Muttermund jetzt auch 1cm offen. Er entschloss die Behandlung mit Cytotec heute dabei zu belassen, um dem Körper die Chance zu geben, selbst den Rest zu erledigen.
Um 6 ging ich zum Abendessen. Ich hatte ziemliche Wehen, das Atmen erforderte mehr und mehr Konzentration und mein Appetit war relativ gering.
Kurz vor um 7 dachte ich mir "Okay, ich glaube es geht langsam los." und so ging ich jetzt schon wieder in den Kreißsaal.
Der Arzt untersuchte mich erneut: Befund: Muttermund bei 8 cm. Ja, das ging ja flott. Die geburtsvorbereitende Akupunktur hat scheinbar geholfen. Ich schrieb meinem Freund, dass er doch bitte wieder ins Krankenhaus kommen sollte. Bis er da war, wurden die Wehen immer heftiger und das Veratmen schwieriger, aber es war noch im Rahmen.
Ich weiß nicht wie spät es mittlerweile war, mein Freund war da, hielt meine Hand und so langsam war jede Wehe echt heftig. Das Problem war, dass sie nicht so wie erwartet nach unten gedrückt haben, sodass ich das Gefühl hatte, ich kann gezielt mit schieben und sie waren aber auch nicht mehr im "Bauch" wie vorher, sodass ich dorthin atmen konnte. Mit jeder Wehe hatte ich das Gefühl mir zerscheppert es gleich mein Schambein :D :D
Somit erhellte ich den Kreißsaal bei jeder Wehe mit meiner Stimme.
Witzig waren - rückblickend betrachtet -  meine Gedanken währenddessen. Während einer Wehe dachte ich nur "holy shit... Das ist ja nicht auszuhalten. Verdammt, tut das weh." In jeder Wehenpause, dachte ich "Na ja, komm so schlimm war es jetzt eigentlich auch nicht. Gleich ist dein Baby da."

Die Hebamme untersuchte mich nochmal und war sich nicht ganz sicher, sodass der Arzt nochmal untersuchte. Während er da unten rumhantierte, platzte meine Fruchtblase. Holla die Waldfee, kam da ein Schwall - Polyhydramnion sei dank. Sonst heißt es ja immer, dass das nie so viel wie im Film ist :D Bei mir wars mehr, das Kreißsaalbett hatte ich dann mal eben unter Wasser gesetzt :D

Das Ergebnis der Untersuchung war dann allerdings nicht so ideal: Stirnlage, der Arzt konnte die Nase ertasten. Möglicher Lösungsversuch: Wehen kurz ausschalten, ich in den Vierfüßlerstand, sodass die Maus nochmal aus dem Becken rausrutscht und richtig wieder reinrutscht.
Punkt Nummer 2 der Dinge die ich nicht wollte: Medikamente während der Geburt ...
Nun ja, in der Stellung mit den Wehen (die kamen ja dann wieder), das war auf jeden Fall Schmerzskala 100 :D
Trauriges Ergebnis: ohne Erfolg, was dann bedeutete Kaiserschnitt

Punkt Nr. 3, den ich unter gar keinen Umständen wollte!
Kurz später kam ein Anästhesistenteam. Ich wurde in den OP verfrachtet und mir wurde eine Spinalanästhesie gelegt. Immerhin etwas positives, keine Vollnarkose.
Punkt Nr. 4, man bekommt bei einer OP natürlich Antibiotika. Das entspricht ja auch absolut nicht meiner Einstellung, aber na ja.

Während dem Kaiserschnitt...
Ich fühlte mich ein bisschen wie auf Drogen. So richtig war ich nicht ich, lag mit Sicherheit an den Medikamenten. Ich erzählte wirres beklopptes Zeug, von wegen man sollte an das Tuch noch nen Bildschirm ranmachen und dort Achterbahnbilder zeigen, dann denkt man man ist in der Achterbahn - weil man so hin und her gerüttelt wird :D
Oh hilfe...

Nun ja... Dann ertönte der Schrei unserer Tochter um 22:27 Uhr. Ich lächelte, freute mich, aber es war dennoch nicht so wie ich mir das vorgestellt hatte. Meine Gefühle waren betäubt, so wie mein unterer Körper. Ich weinte nicht. Das alles verwirrte mich etwas. Natürlich war ich glücklich, wahnsinnig, aber trotzdem fühlte es sich etwas betäubt an.
Vielleicht weil alles anders war, als gedacht/gewünscht/erwartet... Ich konnte die Nabelschnur nicht auspulsieren lassen, ich konnte sie nicht direkt in die Arme nehmen, ich konnte nicht sehen, nicht fühlen wie sie die Welt erblickt hat. Sie war plötzlich da.
Jetzt schreibe ich diese Zeilen und mir steigen die Tränen in die Augen.

Als sie in meinen Armen lag, war ich die glücklichste Frau der Welt und doch auch traurig, dass es eine andere Geburt war. Irgendwie eine Geburt auf Distanz.

Unser Tochter war 50cm groß, hatte einen Kopfumfang von 38 cm und ein stolzes Gewicht von 4475g. Das waren knapp 1000g mehr als es die verschiedensten Ärzte vorher geschätzt hatten. Ich weiß nicht, ob unter der Voraussetzung eine natürliche Geburt überhaupt möglich gewesen wäre. Schließlich bin ich ja nur 1,52m "groß". Vielleicht hätte es so eh nicht geklappt, aber vielleicht eben doch. Vielleicht war die Kindeslage Schicksal, weil es nicht funktioniert hätte.
Ich weiß es nicht und werde es wohl nie erfahren.

Als Fazit kann ich sagen, dass die Geburt völlig anders verlaufen ist wie erwartet und gewünscht. Ich habe jede Wehe trotzdem genossen und bin dankbar, dass ich dies erleben durfte, auch wenn ich meinen Schatz nicht damit auf die Welt bringen durfte. Ich glaube, dass alles im Leben einen Sinn hat, dass das Schicksal sich für diesen Weg entschieden hat und es wird seinen Grund gehabt haben. Am Ende kam alles anders als gedacht, aber das Ergebnis ist schlussendlich doch das was zählt: die größte Liebe meines Lebens, meine kleine Tochter.

(c) Nicole Morgner - Das angegebenen Bildmaterial darf nicht kopiert werden!

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